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Fünf Fragen an die Projektleiter Labinot Demaj und Patrick Sägesser zum «Gemeinde-Bot»

Der Dialog zwischen Verwaltung und Bevölkerung ist von standardisierten, wiederkehrenden Verfahren und Fragen geprägt. Der «Gemeinde-Bot» soll diese in Zukunft als digitaler Verwaltungsassistent automatisiert beantworten und EinwohnerInnen helfen, ihre Anliegen abzuwickeln.

1. Mit neuen intelligenten Systemen können Verwaltungsaufgaben digital und somit zeit- und ortsungebunden abgewickelt werden. Ersetzen diese Systeme die menschliche Arbeitskraft?
L.D.: Nein, auf keinen Fall. Der heutige Stand der Technologie erlaubt nicht, menschliche Arbeit zu ersetzen. In der Regel unterstützt Technologie das Resultat der menschlichen Arbeit und verbessert diese. Das war beim Traktor, beim Montageband und auch bei Excel so. Der Gemeinde-Bot wird in dieser Hinsicht keine Ausnahme sein. Dank seines Einsatzes können wertvolle öffentliche Ressourcen hoffentlich aber effektiver eingesetzt werden als bisher möglich. Dies ist umso wichtiger, je knapper die Mittel, je höher die Ansprüche der EinwohnerInnen, je komplexer die Herausforderungen werden, welche die öffentliche Hand bewältigen muss, und je grösser der Mangel an Fachexpertise wird.

P.S.: Unsere Systeme sind zwar in der Lage, BürgerInnen auch bei sehr komplizierten Prozessen zu unterstützen. Allerdings müssen diese stets klar strukturiert sein und dürfen keinen Ermessensspielraum belassen. Für alle Anfragen, in denen diese Kriterien nicht erfüllt sind, lässt sich die menschliche Arbeitskraft nicht ersetzen.

2. Welche Dienste bietet der Gemeinde-Bot an?
L.D.: Der Gemeinde-Bot wird knapp vierzig eServices bzw. Verfahren oder Fähigkeiten besitzen, die er den EinwohnerInnen anbieten kann. Das Portfolio umfasst die häufigsten Anfragen und wurde in einem iterativen Prozess mit unseren Partner-Gemeinden zusammengestellt.

P.S.: Zu den Grundservices gehören unter anderem einfache Prozesse, wie Bestellungen von Auszügen und Bestätigungen, wie beispielsweise Betreibungsregisterauszüge, Wohnsitzbestätigungen, etc. Dazu kommen aber auch Orientierungshilfen, wie zum Beispiel beim Zusammenstellen und Einreichen von Baugesuchen oder Einzelfall-Abklärungen,  beispielsweise ob jemand Anspruch auf individuelle Prämienverbilligung hat. Wir arbeiten daran, diese Palette laufend zu erweitern.

3. Wie wirkt sich der Einsatz des Gemeinde-Bots auf den Arbeitsalltag der Verwaltungsangestellten aus? Welche Chancen und Herausforderungen kommen mit dieser Applikation auf sie zu?
L.D.: Grundsätzlich sollten die Mitarbeitenden bei Routineanfragen entlastet werden. Auch hochkomplizierte Verfahren können durch den Bot bearbeitet werden, solange die Kriterien klar geregelt sind, die auf den Einzelfall angewendet werden müssen. Menschliche Arbeit kann so für die komplexen Sachverhalte eingesetzt werden – für Fälle, die Ermessen erfordern und es noch keine tauglichen Lösungen gibt. Das ist eine Chance für die Verwaltung, bei der Bearbeitung schwieriger Sachverhalte noch kompetenter zu werden, ohne dabei den Bezug zu den Routinegeschäften zu verlieren.

P.S.: Wir bemühen uns darum, sowohl die verwendeten Systeme als auch die bestehenden Prozesse so zu belassen, wie sie sind. Das bedeutet, dass keine grösseren Herausforderungen im Arbeitsalltag entstehen dürften. Die grösste Chance besteht sicherlich darin, häufige, repetitive Anfragen und Prozesse automatisieren zu können, wodurch mehr Ressourcen für die herausfordernden Fälle übrig bleiben.

4. Der Gemeinde-Bot kann an lokale Gegebenheiten jeder Gemeinde angepasst werden und steht nach Abschluss des Projektes Ende 2020 / Anfang 2021 allen Gemeinden des Metropolitanraums Zürich zur Verfügung. Wie wird die Integration dieses Systems konkret umgesetzt?
L.D.: Als interessierte Gemeinde kann man sich melden und unkompliziert einen Einsatz des Bots diskutieren. Inhaltlich schaut man, welche Dienste vom Verfahren her evtl. angepasst werden müssen. Technisch evaluiert man, ob notwendige Schnittstellen zu den Systemen der Gemeinde (Loganto, Themis, Nest, Infostar, etc.) übernommen werden können. In der Regel kann man diese Integration in ca. drei Monaten durchführen.  

P.S.: Man muss zwischen Frontend-Integration und Backend-Integration unterscheiden. Um den Bot in die Webseite der Gemeinde einzubauen, reicht es grundsätzlich aus, auf jeder gewünschten Unterseite ein kleines Stück HTML Code zu hinterlegen, das den Bot als iFrame lädt. Damit können den BürgerInnen bereits die zentralen Dienste des Bots angeboten werden. Damit der Bot aber das volle Potential ausschöpft, müssen auch Anbindungen an die bestehenden Fachapplikationen etc. erstellt werden. Beim Bestellen von Bescheinigungen beispielsweise macht es Sinn, dass nicht bloss eine E-Mail generiert wird, sondern von der Überprüfung über die Bezahlung bis hin zum Versand möglichst viel automatisiert wird. Hier sind wir abhängig davon, dass diese Applikationen über eine Schnittstelle verfügen. Erste Partner wie Abraxas, KMS oder Procivis konnten wir für diesen Piloten bereits gewinnen. Allerdings können wir bis zum Projektende nicht alle potentiellen Anbieter und Kombinationen von Anbietern abdecken.

5. Was sind Ihrer Meinung nach, als Experten auf diesem Gebiet, die Vor- und Nachteile der Digitalisierung?
L.D.: Trotz digitaler Helfer darf die Expertise nicht komplett an die Maschine abgegeben werden. Die Versuchung ist gross, sich mit dem «Komplizierten» nicht mehr auseinander zu setzen und die Arbeit immer der Maschine zu überlassen. Hier muss der Mensch neugierig und kritisch bleiben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Digitalisierung, bezogen auf die Automatisierung im öffentlichen Bereich, ermöglicht, Massengeschäfte bzw. Standardanfragen immer gleich, zu jeder Uhrzeit und zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten zu bewältigen. Es bleibt mehr Zeit für den Umgang mit komplexen Problemstellungen – Sachverhalte, die zwar oft nicht dringend sind, aber wenn man sie zu lange vernachlässigt, für die Gesellschaft akut und gravierend werden können.

P.S.: Grosse Frage. Grundsätzlich sehe ich die Digitalisierung als etwas Neutrales das zwar enorme Chancen bietet, aber auch Gefahren mit sich bringt. Chancen sehe ich vor allem im Abbau von Reibungsverlusten bei der Kommunikation zwischen beliebigen Akteuren. Die grösste Gefahr sehe ich darin, sich zu sehr auf Entscheidungen von Maschinen zu verlassen. Dort, wo künstliche «Intelligenz» zum Einsatz kommt, lässt sich zwar beobachten, dass die Algorithmen meistens richtig entscheiden. Wie sie zu einer konkreten Entscheidung kommen, ist aber auch für Experten häufig nur sehr schwer nachvollziehbar. Deshalb ist es wichtig, dass neben den eigentlichen Systemen auch die notwendigen Kontroll- und Korrekturmechanismen aufgebaut werden.

Labinot Demaj

Labinot Demaj, Co-Founder und Partner byerley AG