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«SAT für KMU – Mit der Analyse wird eine Bewertung über den aktuellen Reifegrad bezüglich Industrie 4.0 und Operational Excellence abgegeben.»

Der digitale Wandel bietet der Schweizer Industrie, vor allem den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), branchenübergreifendes Potential. KMU erkennen die Bedeutung der Zukunftstrends, jedoch hemmen gewachsene Strukturen, hohe Einstiegshürden und teilweise Überforderung die möglichen Potentiale – auch beim Einsatz von Digitalisierung und Automatisierung.
Mit «SAT für KMU» (Sprachfähigkeit, Auslegeordnung, Transformation) wurde ein Projekt initialisiert, um KMUs zu sensibilisieren, Potentiale aufzuzeigen und spezifisches Wissen zu generieren. Als Projektergebnis liegt ein frei verfügbarer webbasierter Methodenbaukasten, das OPEX Tool, in Form eines interaktiven Fragebogens vor. Das OPEX Tool befähigt lokale KMU, die Themenschwerpunkte der Operation Excellence (OPEX) kennenzulernen, zu verstehen und eine Auslegeordnung vorzunehmen.

1. Als Voraussetzungen bei der Umsetzung von Industrie 4.0 gelten Sprachfähigkeit, Auslegeordnung und Transformation (SAT). Können Sie diese drei Begrifflichkeiten in Bezug auf Industrie 4.0 und Operational Excellence erklären?
BKL: Industrie 4.0 ist die Digitalisierung von Prozessen und Anlagen im Unternehmen. Allerdings sind nicht für jedes Unternehmen die gleichen Massnahmen und Schwerpunkte der Digitalisierung betriebswirtschaftlich sinnvoll. Um überhaupt zu wissen, welche Aufgaben ein KMU in diesem Kontext angehen sollte, muss man sich darüber klar werden, wo man bei der Operational Excellence steht und welche Themenfelder beleuchtet werden müssen. Dies verstehen wir unter der Auslegeordnung: «Wo muss ich ansetzen?».
Sprachfähigkeit bedeutet, Zusammenhänge zu verstehen und die Bedeutung fachspezifischer Begriffe zu kennen. Damit spreche ich die Sprache potentieller Lieferanten und kann auf Augenhöhe Gespräche führen. Transformation bedeutet, die nachhaltigen Prozesse für morgen zu gestalten. Das Kapital sollte im Bereich der Industrie 4.0 dort investiert werden, wo es den grössten Benefit (Mehrwert) bringt. Und dies beginnt bei den Prozessen, die ich identifizieren, verstehen und optimieren muss.

2. Können Sie Beispiele dafür nennen?
WER: Wer sein Lager neu konzipiert, muss sich überlegen, welche Softwaresysteme zum Einsatz kommen sollen. Es gibt viele Konzepte und Anbieter. Wer aber die wesentlichen Erfolgsfaktoren für einen effizienten Einsatz solcher Systeme nicht kennt, kann kein passendes Produkt auswählen. Eine papierbasierte Verwaltung ist in der heutigen Zeit generell keine zu betrachtende Alternative.
Prozessoptimierung im Rahmen der Operational Excellence setzt vor allem die Visualisierung voraus. Ich muss meine aktuellen IST-Prozesse kennen, um Schwachstellen aufzufinden und diese eliminieren zu können. Für die idealen SOLL-Prozesse muss ich die passenden IT-Lösungen im Hause haben oder bei externen Anbietern finden.
Im Bereich der technischen Automatisierung logistischer Einrichtungen ist es von grosser Bedeutung, die Anforderungen zu kennen. Eine vollständig vernetzte und digitalisierte Fabrik ist für viele Unternehmen nicht zielführend. Hier gilt es, genau zu überprüfen, in welchen Bereichen dies sinnvoll ist. Beispielsweise ermöglicht eine Teilautomatisierung, vor allem bei kleineren Unternehmungen, die gestellten Anforderungen oftmals besser zu erfüllen.

3. Der Methodenbaukasten geht Ende September 2020 live. Wer ist Ihre Hauptzielgruppe und welche Erwartungen haben Sie an Tool und Teilnehmende?
WER: Hauptzielgruppe sind Verantwortliche und Unternehmungen, die den nächsten Schritt hin zu Industrie 4.0 gehen möchten, um mit dem Tool die vorhandenen Potentiale abzuprüfen. Ziel ist es, sich darüber klar zu werden, in welcher Entwicklungsstufe der Operational Excellence konkreter Handlungsbedarf besteht.
Daneben wird das OPEX Tool allen Personen und Studierenden offenstehen, die sich im Gebiet der Operational Excellence kundig machen möchten. Für die Durchführung ist kein Fachwissen erforderlich. Fachbegriffe können in einem Glossar nachgeschlagen werden, bei spezifischen Fragen steht ein persönliches Kontaktformular zur Verfügung.

4. SAT für KMU bietet Firmen eine Daten- und Entscheidungsgrundlage, um ihre Produktions- und Logistikprozesse hin zur Industrie 4.0 zu transformieren. Was sind die Chancen und Herausforderungen dieser Transformation, welchen Nutzen bietet sie?
BKL: Der Hauptnutzen des OPEX Tools bietet dem Nutzer schrittweise strukturierte Ablaufschritte zur Umsetzung einzelner Handlungsempfehlungen.
Die Chancen sind, hinsichtlich Flexibilität, Qualität und Leistungsfähigkeit, die richtigen Wege zu gehen und zu erkennen, welche Themen im Bereich der Industrie 4.0 angegangen werden müssen. Die Herausforderung besteht darin, sich darüber klar zu werden, dass ohne einheitliches Verständnis über die eigenen Kernprozesse, eine grosse Gefahr besteht, das Unternehmenskapital suboptimal einzusetzen. In dieser Hinsicht besonders interessant ist, wenn mehrerer Personen im Unternehmen diesen Fragebogen durchgehen und die Ergebnisse miteinander vergleichen.

5. Ziel des Projekts ist, dass KMU im Metropolitanraum Zürich für die Industrie 4.0 sprach- und handlungsfähig gemacht werden, selbständig agieren und Projekte kompetent lancieren können. Welche Schritte sind nach Erhalt der Analyse des Methodenbaukastens notwendig?
WER: Mit der Analyse wird eine Bewertung über den aktuellen Reifegrad bezüglich Industrie 4.0 und Operational Excellence abgegeben. Bei einer positiven bzw. neutralen Bewertung besteht kein dringender Handlungsbedarf. Negative Bewertungen weisen auf einen konkreten Handlungsbedarf hin. Dieser muss im Unternehmen intern oder mit externer Unterstützung kurzfristig angegangen werden.
Dem Nutzer stehen verschiedenste Wege offen, um den Handlungsbedarf umzusetzen. Einerseits stehen lokale Verbände und Wirtschaftsförderungen als Ansprechpartner zur Verfügung. Andererseits bieten fachspezialisierte Unternehmen und Einrichtungen sowie die Projektpartner (Rapp Industrieplaner und Fachhochschule Nordwestschweiz) als unverbindliche Ansprechpartner zur Verfügung.

6. Wo findet das OPEX Tool seinen Einsatz?
BKL: Das OPEX Tool wird sowohl im KMU als auch in der Lehre der FHNW zur Ausbildung von Ingenieuren und Betriebswirtschaftlern eingesetzt. Zudem wird die Verbreitung über Verbände gefördert. Das Tool wird von Rapp Industrieplaner betrieben und weiterentwickelt, damit das Wissen aktuell bleibt und neue Themen und Entwicklungen fortlaufend integriert werden.

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Klaus Brossok (BKL), Rapp Industrieplaner AG

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Eric Wieser (WER), Rapp Industrieplaner AG