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Metropolitanraum-Zuerich-Romanshorn

Nachgefragt: Sechs Fragen an die beiden Thurgauer Walter Schönholzer und Anders Stokholm

Walter Schönholzer ist seit 2016 Regierungsrat des Kantons Thurgau und führt das Departement für Inneres und Volkswirtschaft. Seit Juni 2021 präsidiert er die Kantonskammer bzw. die Regierungskonferenz Metropolitanraum Zürich. Anders Stokholm ist seit 2015 Stadtpräsident von Frauenfeld und führt das Vizepräsidium der Metropolitankonferenz Zürich.

Ostschweiz 17.54.01


Walter Schönholzer, Regierungsrat Kanton Thurgau und Anders Stokholm, Stadtpräsident Frauenfeld

1. Regierungsrat Walter Schönholzer, Sie präsidieren zurzeit die Kantonskammer des Vereins Metropolitanraum Zürich. Wie schätzen Sie die verschiedenen Kantone hinsichtlich der Themenfelder der Metropolitankonferenz (Wirtschaft, Verkehr, Gesellschaft und Lebensraum) ein, auch aus Ostschweizer Perspektive?
Schönholzer: Ich nehme in all diesen vier Themenfeldern deutliche Unterschiede zwischen den Mitgliedkantonen wahr. Beispielsweise haben die Ostschweizer Kantone eine viel stärker industriell geprägte Wirtschaftsstruktur als die Kantone Zürich und Zug, die deutlich dienstleistungsorientierter sind. Ausserdem ist die Ostschweiz eher ländlich geprägt, woraus sich in den Bereichen Verkehr, Gesellschaft und Lebensraum automatisch andere Herausforderungen ergeben als in Kantonen mit städtischem Charakter. Trotz dieser Unterschiede sind die Kantone im Metropolitanraum Zürich wirtschaftlich eng miteinander verflochten, was eine Zusammenarbeit notwendig und auch spannend macht.

2. Die acht kantonalen Metropolitanräte bilden in der Metropolitankonferenz die Kantonskammer. Diese ist gleichzeitig auch die Regierungskonferenz des Metropolitanraums Zürich, was ihr in der Schweiz ein gewisses Gewicht gibt. Wo setzt die Kantonskammer den Fokus, was will sie primär vorantreiben?
Schönholzer: Die Kantonskammer hat dieselben Ziele wie alle anderen Organe der Metropolitankonferenz: Die Förderung der Lebensqualität sowie die Stärkung des Metropolitanraums Zürich als national und international herausragender Wirtschaftsstandort. Mir ist in diesem Zusammenhang vor allem wichtig, das Gewicht der Regierungskonferenz für eine aktive Interessensvertretung zu nutzen. Dies ist uns zum Beispiel beim Einsatz zum Erhalt der Forschungsstandorte Agroscope in Tänikon, Wädenswil und Reckenholz gelungen. Deshalb habe ich diesen Punkt als ständiges Traktandum an den Sitzungen eingeführt, damit noch vermehrt relevante Themen identifiziert und die entsprechenden Einflussmöglichkeiten genutzt werden können.

3. Wie nehmen Sie die Metropolitankonferenz wahr? Was bringt sie für Regionen, die nicht direkt bei Zürich liegen?
Schönholzer: Zürich ist unbestritten das wirtschaftliche Zentrum der Schweiz und davon profitieren auch die umliegenden Regionen als Teil dieses Wirtschaftsraums. Gleichzeitig ist Zürich für sein Gedeihen auf die Nachbarkantone und -regionen angewiesen. Die Metropolitankonferenz schafft einen sehr guten Rahmen, um sich zusammen für den gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraum einzusetzen, Planungen abzustimmen, Projekte gemeinsam durchzuführen und so Synergien zu nutzen. Wenn dies gelingt, profitieren alle Mitgliedsregionen, auch wenn sie nicht unmittelbar neben Zürich liegen.
Stokholm: Die Metropolitankonferenz ist eine hervorragende Vertretung für den gesamten Grossraum. Über parteipolitische Grenzen hinweg setzen sich kommunale und kantonale Exekutive für die Entwicklung des ganzen Raumes ein und beschäftigen sich mit aktuellen und künftigen Herausforderungen. Dies geschieht mit einem Weitblick, der eben nicht auf das Zentrum fokussiert, sondern die Komplexität des ganzen Raumes abbildet.

4. Gemeinsam möchten Sie den Metropolitanraum als starken Wirtschaftsstandort, aktiven Innovationstreiber und vielfältigen Lebensraum pflegen. Inwiefern profitieren Sie beide dabei von einer Zusammenarbeit?
Schönholzer: Ich erachte es als grosse Stärke der Metropolitankonferenz, dass in ihr sowohl die Gemeinde- wie auch die Kantonsebene vertreten sind. Nur wenn beide Staatsebenen am gleichen Strick ziehen, können Herausforderungen nachhaltig bewältigt werden. Durch die Zusammenarbeit in der Metropolitankonferenz wird meine Wahrnehmung für die Anliegen der Städte und Gemeinden geschärft. Gleichzeitig schweissen die gemeinsame Arbeit und erzielte Erfolge zusammen und schaffen ein gegenseitiges Vertrauen. Beides hilft mir auch für meine sonstige politische Arbeit.
Stokholm: Wir profitieren mindestens in zweierlei Hinsicht. Zum einen können wir von Studien über künftige Entwicklungen profitieren, die wir alleine so gar nicht erstellen, geschweige denn finanzieren könnten, und können uns dabei auch aktiv einbringen. Zum anderen können wir konkrete Anliegen einbringen und über die Metropolitankonferenz viel gewichtiger auf nationaler Ebene platzieren, als dies allein möglich wäre. Ich denke dabei zum Beispiel an den Vorstoss zum Erhalt des landwirtschaftlichen Forschungsstandortes Tänikon oder an die Eingabe bezüglich der besseren Anbindung des Ostschweiz an das nationale ÖV-Netz mit dem Brüttener-Tunnel.

5. Stadtpräsident, Anders Stokholm, Sie vertreten als Stadtpräsident eine ganze Region mit rund 20 Mitgliedergemeinden, da ist Frauenfeld Vorreiter. Wie funktioniert das? Ist das ein Vorteil oder gibt es auch Nachteile einer Sub-Region? Können Sie sich vorstellen, dass Regionen mehr Gewicht bekommen?
Stokholm: Der Fokus von kleinen Gemeinden, deren Präsidien oft in einem kleinen Nebenamt bewältigt werden, liegt auf der eigenen Entwicklung. Sie haben wenig Ressourcen, sich mit den Entwicklungen ganzer Regionen auseinanderzusetzen, sind aber von diesen abhängig. Durch eine Vertretung als Region können auch ihre Anliegen eingebracht werden. Konkret geht es dabei um Fragestellungen der ländlichen Regionen, die ich einbringen kann, da ich gleichzeitig Präsident der Regio Frauenfeld bin.

6. In Frauenfeld stehen in den nächsten Jahren grosse Veränderungen an. Welche Bedürfnisse des Kantons Thurgau und seiner Gemeinden und Städte sollen zukünftig auf Bundesebene mehr berücksichtigt werden?
Stokholm: Die Herausforderungen sind viele. In Frauenfeld ist es die Transformation von grossen Flächen der Industrie und Armee. Es gilt, diese Flächen nicht nur als Wohn-, sondern auch als Arbeits- und Lebensort zu gestalten. Hier spielen Verkehrsfragen, Raumplanungsfragen und Digitalisierungs-Infrastrukturthemen eine grosse Rolle. Auf nationaler Ebene sind dafür gesetzgeberische und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass auch grössere Infrastrukturvorhaben für bevölkerungsärmere und kleinräumiger strukturierte Regionen, wie der Thurgau und auch die Region Frauenfeld, realisierbar sind.